Donnerstag, 14. März 2013

Hinzelmeier oder die Suche nach der Wahrheit



Schlagen wir doch ein Buch auf, wenn wir eine Frage haben. Und wo sollten wir die Wahrheit sonst finden, wenn nicht in den Märchen. So habe ich beispielsweise Hinzelmeier von Theodor Storm aufgeschlagen.

Es lohnt sich durchaus, diese Geschichte anzuschauen. Da haben wir an Anfang Hinzelmeiers Eltern. Diese scheinen nicht zu altern, weil irgendein Geheimnis sie umgibt. Offenbar altern sie auch nicht im Laufe der Geschichte, obwohl Hinzelmeier selbst der Zeit ausgesetzt ist und immer älter wird. Das heißt, seine Eltern sind nicht in der Zeit, nicht in der Zeit-Gedanken-Struktur. Und das ist absolut wahr. Unsere wirklichen Eltern existieren nicht in der Zeit. Unsere Leiheltern, fleischliche Eltern, mögen dort scheinbar existieren. Wir sind aber alle Kinder des Absoluten. Und da sehen wir schon, dass wir es hier mit einer Geschichte zu tun haben, die Wahrheit spricht.

Irgendwann wird Hinzelmeier von seiner Mutter in das Geheimnis des Rosengartens eingeweiht, der gleichsam das Geheimnis der Zeitlosigkeit ist, das ewige Jugend gibt. Der Eingang zu diesem Garten, sagt die Mutter, kann überall sein, durch die Wand oder durch ein Küchenfenster. Und ja,
der Eingang zur Wahrheit ist buchstäblich überall, permanent, hier.

Hinzelmeiers Vater hatte den Garten gefunden. Auf jedem nämlich wartet im Garten eine Rosenjungfer darauf, gefunden zu werden. Auch hat die Rosenjungfer die Möglichkeit ihren Jemand zu suchen, aber nur eine begrenzte Zeit. Klappt das nicht, muss die Rosenjungfer ewig allein im Garten verbleiben.

Hinzelmeier wird älter und will weg von zu Hause, um einen Beruf zu finden und seinen Meister.
Sein Beruf, sagt er, ist es, den Stein der Weisen zu finden. Die Eltern lassen ihn gehen, er wird dabei nochmals ermahnt, den Rosengarten nicht zu vergessen. Denn der Sohn des Nachbars sei auch losgezogen und nicht mehr heimgekehrt.

Das ist die Vollendung der Trennung und der Beginn der Suche. Ein natürlicher Prozess. Im Laufe des Heranwachsens schwindet das Gefühl der Einheit, ein Ich entsteht und damit vermeintliche Trennung. Wenn da bemerkt wird, dass da etwas fehlt, beginnt die Suche. Hinzelmeier hält sich erst gar nicht mit Kinkerlitzchen wie Macht und Reichtum auf, sondern will gleich den Stein der Weisen finden.

Er geht zu einem Meister. Als er sieht, dass er dort nichts mehr lernen kann, da auch der Meister nicht den Stein der Weisen besitzt, will er weiterziehen.

Der Meister gibt ihm zum Abschied einen Raben als Begleiter mit. Dieser Rabe trägt eine Brille. Im Laufe der weiteren Geschichte fällt diese Brille immer wieder auf Hinzelmeiers Nase und lässt ihn die Welt aus einer bestimmten Perspektive sehen. Es ist die Sichtweise des Ego, die da zum Tragen kommt. Es ist die Brille der Zeit-Gedanken-Struktur. Ich und meine Geschichte, Ich und meine Erlösung, Ich und der Stein der Weisen.

Der Ich-Gedanke ist es ja, der die Illusion erzeugt, da sei ein Jemand. Aber bei genauerem Hinsehen ist dieser Jemand nur ein Konzept, nicht wirklich ich. Dieser Jemand kann nie ankommen, da er ein Konstrukt aus Zeit ist, aus Gedanken und Zeit.

Zurück zur Geschichte. In einer Bauernstube, wo er Hinzelmeier etwas isst, geht ein Küchenfenster auf und er erblickt dort kurz eine Jungfer und beinahe den Rosengarten. Da er aber die verfluchte Brille auf seine Nase landet, sieht er plötzlich ein anderes Bild. Jemand bohrt in der ferne ein Loch.
Als er näherkommt, erweist sich dieser Jemand als der Teufel, der gerade die Welt in die Luft sprengen will.

Natürlich, in der Nähe des Rosengartens – der Wahrheit – kann es einem schon
vorkommen, als könne die Welt in die Luft fliegen. Sie verliert ihre Struktur, die von unseren Gedanken bereitgestellt wird. Wir haben keine Kontrolle mehr, zuvor, mit einem scheinbaren Ich, glaubten wir noch immerhin an eine scheinbare Kontrolle. Da ist aber niemand, der die Kontrolle hat, hatte, oder je haben wird.

Da bekommt Hinzelmeier die Idee, den Teufel von der Welt zu schießen. Der Teufel hat ein Loch gegraben, um es mit Pulver zu füllen, damit die Welt zerbarsten kann. Als der Teufel nun ins Loch hinabsteigt, um weiter an seinem Sprengsatz zu arbeiten, wirft Hinzelmeier Glut von seinem Feuerzeug hinterher. Die Explosion schießt den Teufel in den Weltraum hinaus.

Das ist die Idee, das Böse zu bekämpfen, den eigenen Schatten loszuwerden. Funktioniert nur nicht. Ist und bleibt Dualismus. Im Laufe der weiteren Geschichte wird er immer älter und die Leute, die seine Eltern kennen, halten seinen Vater erst für seinen Sohn, später dann für seinen Enkel. Auch die Rosenjungfer, hört er, hat nach ihm gefragt, aber bevor er sie finden kann, kommt ihm immer der Rabe und die Brille dazwischen – die Ego-Sicht und damit auch die suche nach dem Stein der Weisen.

Er trifft auch den verschwundenen Sohn des Nachbarn, der meint, den Stein der Weisen gefunden zu haben. Er glaubt nicht, dass Hinzelmeier den Teufel besiegt hat, denn er selbst habe ihn vor kurzen noch gesehen. Nun wisse er aber nicht, was mit dem Stein zu tun sei, wenn man ihn gefunden hat. Beide setzen sich und denken darüber nach. Da nimmt Hinzelmeier die Brille ab, um sie zu putzen. Jenseits der Ego-Sicht erkennt er, dass der angebliche Stein der Weisen nur ein Käse ist, nichts weiter. So essen die beiden den Käse auf und ihre Wege trennen sich.

Hinzelmeier findet nie den Stein der Weisen – der ja nur – es tut mir leid – nur eine Idee des Ego ist, etwas finden zu können. Auch findet er nie, und das hat durchaus eine Tragik - vom Relativen aus gesehen - den Rosengarten und die Rosenjungfer.

Alt und greise stirbt Hinzelmeier. Da findet ihn im Sterben die Rosenjungfer. Sie packt den Raben mit der Brille und wirft ihn weit fort. Sie muss nun zurück in den Garten und für immer dort bleiben.

Schöne Geschichte und im tiefsten Sinne spirituell. (Wenn man die Brille beim Lesen abnimmt natürlich nur)

Die Wahrheit ist nicht der Stein der Weisen, nichts, was man finden könnte. Die Wahrheit ist, dass der Rosengarten überall ist.

Dieser Rabe mit seiner Brille ist nicht wahr, existiert nicht wirklich.
Es ist sinnlos den Stein der Weisen zu suchen. Höre auf zu suchen. Die Brille ist Illusion, der Stein ist Illusion, der Suchende ist Illusion. Der Garten ist keine Illusion, aber niemand kann ihn finden.
Wer sollte ihn finden – das Ego ist Illusion. Der Suchende ist die Illusion.

Das Wegfallen der Illusion zeigt, dass der Garten überall schon ist, immer, zeitlos.


Hier kann man nochmals das Märchen nachlesen   http://www.zeno.org/Literatur/M/Storm,+Theodor/M%C3%A4rchen+und+Spukgeschichten/Hinzelmeier







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