Schlagen wir doch ein Buch auf, wenn
wir eine Frage haben. Und wo sollten wir die Wahrheit sonst finden,
wenn nicht in den Märchen. So habe ich beispielsweise Hinzelmeier
von Theodor Storm aufgeschlagen.
Es lohnt sich durchaus, diese
Geschichte anzuschauen. Da haben wir an Anfang Hinzelmeiers Eltern.
Diese scheinen nicht zu altern, weil irgendein Geheimnis sie umgibt.
Offenbar altern sie auch nicht im Laufe der Geschichte, obwohl
Hinzelmeier selbst der Zeit ausgesetzt ist und immer älter wird. Das
heißt, seine Eltern sind nicht in der Zeit, nicht in der
Zeit-Gedanken-Struktur. Und das ist absolut wahr. Unsere wirklichen
Eltern existieren nicht in der Zeit. Unsere Leiheltern, fleischliche
Eltern, mögen dort scheinbar existieren. Wir sind aber alle Kinder
des Absoluten. Und da sehen wir schon, dass wir es hier mit einer
Geschichte zu tun haben, die Wahrheit spricht.
Irgendwann wird Hinzelmeier von seiner
Mutter in das Geheimnis des Rosengartens eingeweiht, der gleichsam
das Geheimnis der Zeitlosigkeit ist, das ewige Jugend gibt. Der
Eingang zu diesem Garten, sagt die Mutter, kann überall sein, durch
die Wand oder durch ein Küchenfenster. Und ja,
der Eingang zur Wahrheit ist
buchstäblich überall, permanent, hier.
Hinzelmeiers Vater hatte den Garten
gefunden. Auf jedem nämlich wartet im Garten eine Rosenjungfer
darauf, gefunden zu werden. Auch hat die Rosenjungfer die Möglichkeit
ihren Jemand zu suchen, aber nur eine begrenzte Zeit. Klappt das
nicht, muss die Rosenjungfer ewig allein im Garten verbleiben.
Hinzelmeier wird älter und will weg
von zu Hause, um einen Beruf zu finden und seinen Meister.
Sein Beruf, sagt er, ist es, den Stein
der Weisen zu finden. Die Eltern lassen ihn gehen, er wird dabei
nochmals ermahnt, den Rosengarten nicht zu vergessen. Denn der Sohn
des Nachbars sei auch losgezogen und nicht mehr heimgekehrt.
Das ist die Vollendung der Trennung und
der Beginn der Suche. Ein natürlicher Prozess. Im Laufe des
Heranwachsens schwindet das Gefühl der Einheit, ein Ich entsteht und
damit vermeintliche Trennung. Wenn da bemerkt wird, dass da etwas
fehlt, beginnt die Suche. Hinzelmeier hält sich erst gar nicht mit
Kinkerlitzchen wie Macht und Reichtum auf, sondern will gleich den
Stein der Weisen finden.
Er geht zu einem Meister. Als er sieht,
dass er dort nichts mehr lernen kann, da auch der Meister nicht den
Stein der Weisen besitzt, will er weiterziehen.
Der Meister gibt ihm zum Abschied einen
Raben als Begleiter mit. Dieser Rabe trägt eine Brille. Im Laufe der
weiteren Geschichte fällt diese Brille immer wieder auf Hinzelmeiers
Nase und lässt ihn die Welt aus einer bestimmten Perspektive sehen.
Es ist die Sichtweise des Ego, die da zum Tragen kommt. Es ist die
Brille der Zeit-Gedanken-Struktur. Ich und meine Geschichte, Ich und
meine Erlösung, Ich und der Stein der Weisen.
Der Ich-Gedanke ist es ja, der die
Illusion erzeugt, da sei ein Jemand. Aber bei genauerem Hinsehen ist
dieser Jemand nur ein Konzept, nicht wirklich ich. Dieser Jemand kann
nie ankommen, da er ein Konstrukt aus Zeit ist, aus Gedanken und
Zeit.
Zurück zur Geschichte. In einer
Bauernstube, wo er Hinzelmeier etwas isst, geht ein Küchenfenster
auf und er erblickt dort kurz eine Jungfer und beinahe den
Rosengarten. Da er aber die verfluchte Brille auf seine Nase landet,
sieht er plötzlich ein anderes Bild. Jemand bohrt in der ferne ein
Loch.
Als er näherkommt, erweist sich dieser
Jemand als der Teufel, der gerade die Welt in die Luft sprengen will.
Natürlich, in der Nähe des
Rosengartens – der Wahrheit – kann es einem schon
vorkommen, als könne die Welt in die
Luft fliegen. Sie verliert ihre Struktur, die von unseren Gedanken
bereitgestellt wird. Wir haben keine Kontrolle mehr, zuvor, mit einem
scheinbaren Ich, glaubten wir noch immerhin an eine scheinbare
Kontrolle. Da ist aber niemand, der die Kontrolle hat, hatte, oder je
haben wird.
Da bekommt Hinzelmeier die Idee, den
Teufel von der Welt zu schießen. Der Teufel hat ein Loch gegraben,
um es mit Pulver zu füllen, damit die Welt zerbarsten kann. Als der
Teufel nun ins Loch hinabsteigt, um weiter an seinem Sprengsatz zu
arbeiten, wirft Hinzelmeier Glut von seinem Feuerzeug hinterher. Die
Explosion schießt den Teufel in den Weltraum hinaus.
Das ist die Idee, das Böse zu
bekämpfen, den eigenen Schatten loszuwerden. Funktioniert nur nicht.
Ist und bleibt Dualismus. Im Laufe der weiteren Geschichte wird er
immer älter und die Leute, die seine Eltern kennen, halten seinen
Vater erst für seinen Sohn, später dann für seinen Enkel. Auch die
Rosenjungfer, hört er, hat nach ihm gefragt, aber bevor er sie
finden kann, kommt ihm immer der Rabe und die Brille dazwischen –
die Ego-Sicht und damit auch die suche nach dem Stein der Weisen.
Er trifft auch den verschwundenen Sohn
des Nachbarn, der meint, den Stein der Weisen gefunden zu haben. Er
glaubt nicht, dass Hinzelmeier den Teufel besiegt hat, denn er selbst
habe ihn vor kurzen noch gesehen. Nun wisse er aber nicht, was mit
dem Stein zu tun sei, wenn man ihn gefunden hat. Beide setzen sich
und denken darüber nach. Da nimmt Hinzelmeier die Brille ab, um sie
zu putzen. Jenseits der Ego-Sicht erkennt er, dass der angebliche
Stein der Weisen nur ein Käse ist, nichts weiter. So essen die
beiden den Käse auf und ihre Wege trennen sich.
Hinzelmeier findet nie den Stein der
Weisen – der ja nur – es tut mir leid – nur eine Idee des Ego
ist, etwas finden zu können. Auch findet er nie, und das hat
durchaus eine Tragik - vom Relativen aus gesehen - den Rosengarten
und die Rosenjungfer.
Alt und greise stirbt Hinzelmeier. Da
findet ihn im Sterben die Rosenjungfer. Sie packt den Raben mit der
Brille und wirft ihn weit fort. Sie muss nun zurück in den Garten
und für immer dort bleiben.
Schöne Geschichte und im tiefsten
Sinne spirituell. (Wenn man die Brille beim Lesen abnimmt natürlich
nur)
Die Wahrheit ist nicht der Stein der
Weisen, nichts, was man finden könnte. Die Wahrheit ist, dass der
Rosengarten überall ist.
Dieser Rabe mit seiner Brille ist nicht
wahr, existiert nicht wirklich.
Es ist sinnlos den Stein der Weisen zu
suchen. Höre auf zu suchen. Die Brille ist Illusion, der Stein ist
Illusion, der Suchende ist Illusion. Der Garten ist keine Illusion,
aber niemand kann ihn finden.
Wer sollte ihn finden – das Ego ist
Illusion. Der Suchende ist die Illusion.
Das Wegfallen der Illusion zeigt, dass
der Garten überall schon ist, immer, zeitlos.
Hier kann man nochmals das Märchen nachlesen http://www.zeno.org/Literatur/M/Storm,+Theodor/M%C3%A4rchen+und+Spukgeschichten/Hinzelmeier
Hier kann man nochmals das Märchen nachlesen http://www.zeno.org/Literatur/M/Storm,+Theodor/M%C3%A4rchen+und+Spukgeschichten/Hinzelmeier
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